Niedersachsen

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Elbe-Heide

Stellungnahme zum Umbau der Sternkreuzung

Lüneburg, 13. Februar 2024

Hiermit nimmt der VCD Regionalverband Elbe-Heide Stellung zu den Umbauplänen zur Sternkreuzung, die nachdem sie zuvor im Arbeitskreis Verkehr besprochen wurden, am 14. Februar 2024 im Ausschuss für Mobilität vorgestellt werden.

Umbau der Sternkreuzung

Situation

Die Lüneburger Sternkreuzung, bei der Uelzener Straße, Soltauer Straße, Sülztorstraße, Lindenstraße und Feldstraße aufeinandertreffen, ist einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte in Lüneburg. Sie gehört zum „Stadtring“, befindet sich in der Nähe des Städtischen Klinikums und hier treffen wichtige Verbindungsachsen Nord-Süd und Ost-West für alle Verkehrsmittel zusammen. Ein großer
Teil des Verkehrs von und zur Leuphana-Universität läuft über diese Kreuzung.
Die Ost-West-Strecke und die Sülztorstraße sind Radverkehrshauptrouten, die Uelzener Straße ist eine Netzergänzung, die die Hauptroute 1 zur Innenstadt abkürzt (Radverkehrsstrategie 2025).
Aktuell sind die Radwege sehr schmal (weitaus weniger als VwV-StVO, ERA und E Klima als Mindestmaße fordern) und es gibt kaum Aufstellflächen für den Radverkehr. Dieser wird zudem ausschließlich auf Hochbordwegen geführt, als getrennter Geh- und Radweg (VZ 241). Zwischen zu Fuß Gehenden und Radfahrenden kommt es durch die zu kleinen Aufstellflächen insbesondere in Verkehrsstoßzeiten zu Konflikten und sie behindern sich gegenseitig am Fortkommen. Nicht zuletzt wird im aktuellen Zustand auch der Radverkehr ausgebremst. Um einen guten oder auch nur annehmbaren Zustand herzustellen, müssen hier also Veränderungen im Verkehrsraum stattfinden.
Von daher sind wir der Verwaltung dankbar, dass sie sich dieses Themas annehmen will. Viele der Änderungen werden deutliche Verbesserungen für den Radverkehr bringen. Dennoch möchten wir anmerken, dass aus unserer Sicht die geplanten Umbaumaßnahmen nicht dem Sinne einer umfassenden Verkehrswende gerecht werden. Es werden weiter Mindestmaße für Fuß- und Radverkehrsführungen und Maximalmaße für Kfz-Fahrspuren angesetzt. Das widerspricht den aktuellen Empfehlungen (ERA, E Klima) und ist insbesondere aufgrund der angestrebten Zunahme des Radverkehrs sowie auch der Zunahme von mehrspurigen Fahrrädern problematisch. Der KfzVerkehr wäre auch nach den geplanten Umbauten weiterhin privilegiert.

Warum ist eine Verkehrswende notwendig?
Lüneburg hat 2021 beschlossen, bis 2030 klimaneutral zu werden. Wie durch das beauftragte BEKS-Gutachten 2022 festgestellt, ist die Verkehrswende eine wesentliche Säule, um dieses Ziel zu erreichen. Berechnet ist, dass es dafür nicht ausreicht, den vorhandenen Pkw-Verkehr zu elektrifi - zieren, sondern zudem muss sein Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen auf ca. 50 % des aktuellen
Zustands reduziert werden.
Im Lüneburger Verkehrsentwicklungsplan von 1990 wurde bereits das Motto „Fahrrad vor Auto“ festgeschrieben. Es heißt: „Alle Bemühungen müssen darauf gerichtet sein, eine deutliche Minimierung des Kfz-Verkehrs zu bewirken. Dabei darf das im Plan angestrebte Ziel von ca. 25% Reduzie - rung des Individualverkehrs nur als Minimalziel angesehen werden.“

Wie kann die Verkehrswende gelingen?
Verkehrsexpert*innen sind sich einig, dass eine Verkehrswende nur durch eine Kombination von Pull- und Push-Maßnahmen erreicht werden kann. Das bedeutet, dass einerseits die Fuß-, Rad- und ÖPNV-Situation (Umweltverbund) in den Städten wesentlich verbessert werden muss (Pull-Faktoren), dabei sind sichere und netzartig geplante Infrastrukturen zentral. Andererseits ist der MIV-Verkehr einzugrenzen. Das kann durch Einfahrtverbote, Abbau von Parkplätzen und Verminderung von
Fahrspuren passieren (Push-Faktoren).
„Push-Maßnahmen (Preise, Restriktionen) haben auf das Mobilitätsverhalten stärkere Wirkungen als Pull-Maßnahmen (günstige Alternativangebote). Deshalb müssen beide Maßnahmenklassen miteinander kombiniert werden" (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 2021: Perspektiven für den Stadtverkehr der Zukunft).

Vorschläge zur Umgestaltung der Sternkreuzung
An der Sternkreuzung und übergehend zu den angrenzenden Straßen besteht die Möglichkeit, genau diese Kombination von Pull- und Push-Maßnahmen zu erreichen, wenn anders geplant werden wür - de. Das bedeutet für die Kreuzung, dass die Radwege auf einer Ebene mit der Fahrbahn an der Kreuzung enden und entsprechende Abbiege- und Aufstellbereiche geschaffen werden. In Kreuzungsbereichen sammelt sich der Verkehr. Eine Verengung der Fuß- und
Radverkehrsinfrastrukturen zugunsten des Autoverkehrs ist nicht sinnvoll.
• In der Uelzener Straße wird die Zahl der Pkw-Spuren Richtung Norden auf maximal zwei
reduziert. Richtung Süden werden die Voraussetzungen zur Einrichtung einer Umweltspur geschaffen.
• Die Sülztorstraße wird Richtung Süden auf maximal zwei Pkw-Spuren reduziert.
• Auf der Lindenstraße wird südseitig eine gesicherte Radspur (Protected Bikelane) oder eine
Umweltspur geschaffen. Der Busverkehr könnte bei letzterem auch vermehrt über die Lindenstraße statt über die Wallstaße geleitet werden.
• Die Soltauer Straße wird auf eine Pkw-Spur pro Fahrtrichtung reduziert.
• Der geplante Erhalt der Bypässe für den Autoverkehr aus den 1970er Jahren von der Lindenstraße in die Sülztorstraße und von der Soltauer Straße in die Uelzener Straße sind aus Gründen der Sicherheit für den Fuß- und Radverkehr sowie der notwendigen Deattraktivierung des motorisierten Individualverkehrs nicht sinnvoll. Eine ähnliche Autoverkehrsführung wurde am Handwerkerplatz in den 1990er Jahren zugunsten von Bepflanzung zurückgebaut.

Begründungen
Es ist nicht mehr zeitgemäß, die aktuellen oder sogar wachsende Pkw-Zahlen zum Maßstab für Ver - kehrsplanung heranzuziehen. Verkehrsplanung muss im Sinne der Verkehrswende stattfinden und darf nicht den status quo zementieren. Diese Vorgehensweise ist auch in den „Empfehlungen zur Anwendung und Weiterentwicklung von FGSV-Veröffentlichungen im Bereich Verkehr zur Errei-
chung von Klimaschutzzielen“ (E Klima 2022) vorgesehen.
Der innerstädtische Verkehrsraum ist stets begrenzt. Seit dem Umbau Lüneburgs zur autogerechten Stadt wurden lediglich schmale Randbereiche für den Fuß- und Radverkehr vorgesehen. Eine At - traktivierung des Fuß- und Radverkehrs durch die größtmögliche Aufweitung dieser Bereiche, ohne die Zahl der Pkw-Spuren zu reduzieren, ist ein langwieriges und sehr teures Unterfangen. Es ist nicht absehbar, dass bei den entsprechend langen Planungszeiten und angesichts der Menge an haushalterischen Eigenmitteln sowie Fördermitteln, die dafür notwendig sind, eine schnelle Umsetzung zur Erreichung der Klimaneutralität möglich ist. Zudem kommen dadurch keine Push-Faktoren zustande. Eine Umverteilung des vorhandenen Verkehrsraums zugunsten des Umweltverbunds ist wesentlich günstiger und schneller machbar und trägt besser zur Erreichung der beschlossenen Ziele bei.
Die Einrichtung von Rad- oder Umweltspuren in der Breite von Pkw-Spuren bietet darüber hinaus noch mehr Vorteile: In Paris hat sich gezeigt, dass so nicht nur der Rad- und Busverkehr wesentlich beschleunigt werden kann, sondern auch Rettungsfahrzeuge einige Minuten schneller an ihr Ziel kommen, da sie nicht mit den Pkw im Stau stehen (Abran 2023). Aufgrund der Nähe zum Klinikum und der daraus resultierenden häufigen Nutzung durch Rettungsfahrzeuge ist dies besonders relevant.
In der Radverkehrsstrategie 2025 ist eine Verbesserung der „Sicherheit und Durchlässigkeit [für den Radverkehr] mittels Fahrbahnführung in allen Zufahrten“ der Sternkreuzung vorgesehen. Zudem ist eine getrennte Führung für abbiegenden und geradeaus fahrenden Radverkehr mit teils eigenen Aufstellungsbereichen auf der Fahrbahn vorgesehen. Dies widerspricht somit der nun geplanten Führung des Radverkehrs auf dem Hochbord. Es ist dort eine Vielzahl schutzbedürftiger Personen wie Kinder, Senior*innen, Gehbehinderter usw. unterwegs. Die Planungen erfordern also eine besondere Rücksichtnahme. Die Hochbord-Führung des Radverkehrs führt einerseits zu Konflikten mit dem Fußverkehr und andererseits zur Verlangsamung und Gefährdung des Radverkehrs in Kreuzungssituationen durch abbiegenden Autoverkehr.

Quellen
- Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (2021): Perspektiven für den Stadtverkehr der Zukunft bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/perspektiven-stadtverkehr-zukunft.pdf
-Hansestadt Lüneburg (2018): Radverkehrsstrategie 2025 
www.hansestadt-lueneburg.de/_Resources/Persistent/9/2/e/d/ 92ed95fe2c41dfb6bc3baca18773e180dd7b5112/Radverkehrsstrategie_2025_Bericht.pdf
-beks EnergieEffizienz (2022): Energie- und THG-Bilanz 2017 bis 2019. Potenziale & Szenarien Hansestadt Lüneburg www.lueneburg-klimaschutz.de/wp-content/uploads/2022/05/THG- Bilanz-der-Hansestadt-Lueneburg-2017-2019.pdf
FGSV (2022): Empfehlungen zur Anwendung und Weiterentwicklung von FGSV- 
Veröffentlichungen im Bereich Verkehr zur Erreichung von Klimaschutzzielen www.fgsv- verlag.de/e-klima-2022
- Abran (2023): À Paris, le délai d’intervention des pompiers a raccourci : « Sur une urgence, une minute ça joue » www.leparisien.fr/paris-75/a-paris-le-delai-dintervention-des- pompiers-a-raccourci-sur-une-urgence-une-minute-ca-joue-02-03-2023- D3MEX74B4NCKHCYROAQBECNVGE.php
- FGSV (2010): Empfehlungen für Radverkehrsanlagen www.fgsv-verlag.de/era
Die Bundesregierung (2021): Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) 
- www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/bsvwvbund_26012001_S3236420014.htm
- Stadt Lüneburg (1990): Verkehrsentwicklungsplan 
gruene-lueneburg.de/userspace/NS/kv_lueneburg/migration_ttnews2orgxblog/news/ media/1990-12-20_-_Verkehrsentwicklungsplan_Stadt_Lueneburg.pdf

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