Niedersachsen

2005

Können Behinderte bald die Regionalexpresszüge nicht mehr nutzen? Beitrag des KV Aachen Düren

Aachen/Düren, 06.07.05

 

Nachdem die Deutsche Bahn bundesweit das neue Abfertigungsverfahren TAV bereits bei Triebzügen eingesetzt hat, wird dieses System nun auch zunehmend bei Regionalexpresszügen (Doppelstockwagen) eingeführt. Damit haben - nicht nur - Behinderte eine ganze Reihe Probleme zu befürchten. Die Probleme sind zu erkennen, wenn man weiß, was sich hinter dem Begriff TAV verbirgt. TAV steht für technikbasiertes Abfertigungsverfahren. Anders als früher, achtet nicht mehr das Zugpersonal, also der Zugbegleiter und der Lokführer, auf die Vorgänge beim Ein- und Aussteigen, sondern die Türen arbeiten vollautomatisch.

Aachen/Düren, 06.07.05

Nachdem die Deutsche Bahn bundesweit das neue Abfertigungsverfahren TAV bereits bei Triebzügen eingesetzt hat, wird dieses System nun auch zunehmend bei Regionalexpresszügen (Doppelstockwagen) eingeführt. Damit haben - nicht nur - Behinderte eine ganze Reihe Probleme zu befürchten. Die Probleme sind zu erkennen, wenn man weiß, was sich hinter dem Begriff TAV verbirgt. TAV steht für technikbasiertes Abfertigungsverfahren. Anders als früher, achtet nicht mehr das Zugpersonal, also der Zugbegleiter und der Lokführer, auf die Vorgänge beim Ein- und Aussteigen, sondern die Türen arbeiten vollautomatisch. (Siehe Kasten unten)
Dieses Verfahren wird z.B. bei den neuen S-Bahnen bereits angewendet und ermöglicht es im Prinzip auch, die Doppelstockzüge auf den Regionalexpresslinien ohne Zugbegleiter zu fahren und es ist erklärtes Ziel der Bahn, diese Möglichkeit aus Wirtschaftlichkeitsgründen immer mehr zu nutzen. Ein Blick des Lokführers ist dabei nicht erlaubt/ bzw. nicht erwünscht, da die Bahn damit jegliche Haftungsrisiken ausschließen will. Man beruft sich auf ein „sicheres System“, welches den menschlichen Blick nicht mehr nötig hat.

Der VCD Aachen- Düren lehnt diese Vorgehensweise ab! 

Ein Kundenbetreuer muss auf jedem Regionalexpress bleiben, um Kundenservice zu bieten, die Sicherheit zu gewähren und um Fahrgästen mit Mobilitätseinschränkungen behilflich zu sein. Sonst kann es demnächst passieren, dass ein Rollstuhlfahrer zwar mit einem ziemlich teuren Fahrstuhl auf den Bahnsteig gelangt, dann aber nicht in den Zug kommt, da es – anders als bei der S-Bahn -  einen Höhenunterschied zwischen Bahnsteig und Zug gibt, der üblicher Weise mit einer ausfahrbaren Rampe überbrückt wird. Da aber kein Zugbegleiter mehr da ist
- oder dieser im Zug bleibt und den Rolli nicht sieht - könnte einzig der Lokführer die Rampe bedienen. Dies würde jedoch bedeuten, dass dieser den Zug sichert, an fünf Wagen vorbei zum Steuerwagen geht, die Rampe ausfährt und nach Zustieg des Fahrgastes wieder einfährt, dann wieder zur Lok geht um am nächsten Bahnhof den Fahrgast mit Rollstuhl wieder auszuladen. Ein Verspätungspotential von locker 15 Minuten. Das Problem ist, dass der Lokführer zunächst einmal mitbekommen muss, dass ein Fahrgast Hilfe braucht. Und selbst wenn er es sieht: Was ist, wenn das Personal dann schon bald Feierabend hat? Ein „Übersehen“ des Rollis würde ja immerhin zu pünktlichem Feierabend führen....

Mit diesem kurzen Anriss eines komplexen Themenkataloges untermauert der VCD seine Forderung, dass alle RE-Züge auch in Zukunft mit Kundenbetreuern besetzt sein müssen, die – ebenso wie die Lokführer - auch bei modernerer Türsteuertechnik an jedem Bahnhof die Vorgänge am Zug beobachten müssen!

Denn neben dem Thema Rollstühle gibt es weitere Problemfelder! So ist es mehrfach bei Zügen mit TAV vorgekommen, dass Fahrgäste einen Teil des Gepäcks bereits im Zug hatten, selbst aber auf dem Bahnsteig standen, oder andersherum der Fahrgast im Zug war, aber der zweite Koffer noch auf dem Bahnsteig stand. Dramatisch wird es dann schon, wenn der Kinderwagen mit Kind im Zug steht, die Mutter noch eben die Tasche am Bahnsteig nehmen will, die Tür sich aber nicht erneut öffnen läßt, da die Abfahrzeit erreicht ist und der Zug dann mit Kinderwagen, aber ohne Mutter losfährt.

Ein weiteres Argument für den Einsatz der Zugbegleiter und für einen Kontrollblick des Lokführers auch bei TAV ist der Höhenunterschied zwischen Zug und Bahnsteig. Anders als z.B. bei einem Aufzug, gibt es an den Bahnsteigen z.T. erhebliche Höhenunterschiede, sogar bei neuen S-Bahnsteigen gibt es z.T. Höhenunterschiede. Es ist teilweise möglich (und bereits passiert), dass Fahrgäste zwischen Zug und Bahnsteig fallen. Ohne Zugbegleiter bzw. ohne Kontrollblick, fährt der Lokführer u.U. ab und verletzt den Fahrgast. Und selbst bei Aufzügen gibt es technische Pannen, die – wie zuletzt- tödliche Folgen haben können. Warum glaubt man eigentlich, die Türsteuerungen der Züge seien perfekter?

Auch der Verband Pro Bahn hatte in seiner Zeitung „Der Fahrgast“ bereits über das Verfahren berichtet. Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) hat daraufhin zum Artikel von Klaus Groß "Bahnfahren auf eigene Gefahr" (Der Fahrgast 3/02 Seite 21 f. -) Stellung genommen. Das EBA merkte an, dass eine Genehmigung des Technikbasierten Abfertigungsverfahrens (TAV) nicht erforderlich sei. Damit stellte sich nach Pro Bahn - Auffassung heraus: Betriebsformen, die für die Sicherheit der Fahrgäste relevant sind, werden nicht geprüft und beaufsichtigt - eine gefährliche Lücke im deutschen Eisenbahnwesen.

Der VCD Aachen Düren bittet deshalb die VCD Mitglieder in ganz Deutschland, am Aufbau einer Sammlung von Unfällen und Unregelmäßigkeiten an Zugtüren mitzuwirken. Wir wollen uns einen Überblick über die Situation verschaffen und für die weiteren Diskussionen das Material sichten und nachrecherchieren. Bitte schickt uns Unfallbeschreibungen als Augenzeugen ebenso wie Zeitungsartikel und andere Quellen zum Thema TAV (z.B. Links zu Internetseiten, die ihr gefunden habt). Mailt an georgschmitz@gmx.de oder schickt Papiere an VCD Aachen-Düren, z.H. Georg Schmitz, Postfach 101803, 52318 Düren

Exkurs:

Wie funktioniert die Türsteuerung an modernen Nahverkehrszügen, z.B. der S12 zwischen Düren und Köln? Wenn der Zug angehalten hat, gibt der Lokführer die Türen auf der Bahnsteigseite frei und Reisende können über einen Drucktaster die Türen öffnen. Die Türen laufen wieder zu, sobald über die Lichtschranke 3 Sekunden kein Ein – und Aussteigen mehr erkannt wird. Die Türen lassen sich bis zur Abfahrtzeit des Zuges weiterhin über den Taster öffnen und falls eine Person in die zulaufende Türe tritt, öffnet diese wieder, so dass keine Personen eingeklemmt werden. Ist die Abfahrzeit erreicht, wird die Türfreigabe zurückgenommen (also die Möglichkeit des Türöffnens abgeschaltet) und wenn alle Türen geschlossen haben, sieht der Lokführer dies an seinen Leuchtmeldern. Nur wenn alle Türen zu sind, kann der Zug abfahren. Dieses Verfahren sieht keinen Blick des Lokführers auf das Geschehen am Zug mehr vor, einen Zugbegleiter gibt es nicht mehr! Wenn ein Fahrgast in der Lichtschranke oder genau im Eingangsbereich steht, bekommt der Lokführer nicht den Leuchtmelder „Türen zu“. Nur dann schaut er aus dem Fenster und betätigt dann nach Beendigung des Ein- und Aussteigens das sog. Zwangsschließen, bei dem die Lichtschranke überbrückt ist.

zurück