Niedersachsen

Oldenburg
2024

Tempo 30 zu Hause und anderswo

Eine Geschwindigkeitsbegrenzung zugunsten einer erhöhten Sicherheit und Belästigungsminderung von Anwohnern wird sehr vielen Betroffen von ihren zuständigen Straßenverkehrsbehörden verweigert. Hier hilft nur die Solidarität untereinander. Dafür muss und kann jeder selbst Betroffene und auch jeder andere verständnisvolle Kraftfahrer überall dort seine Geschwindigkeit trotz fehlendem Verkehrsschild reduzieren, wo er eine analoge Situation vorfindet.

In Oldenburg und den umgebenden Landkreisen fordern oft Anwohner, die zulässige Höchstgeschwindigkeit vor Ihrer Haustür auf 30 km/h zu begrenzen. Bereits mehrfach wurde der VCD-Kreisverband Oldenburg dafür um Unterstützung gebeten. Leider sind die zuständigen Straßenverkehrsbehörden an ziemlich alte untergesetzliche Vorschriften und Richtlinien gebunden, welche auch ein ökologisch denkender Verkehrsclub nicht außer Kraft setzen kann. Deshalb müssen wir in den meisten Fällen auf diese Vorgaben verweisen, obwohl wir sie in vielen Inhalten für nicht mehr zeitgemäß halten.

Ein Fahren mit den innerorts maximal zulässigen 50 km/h ist praktisch in den meisten bewohnten Gebieten nicht mehr ohne Gefährdung von Sicherheit und Gesundheit der Anwohner und anderer nicht motorisierter Verkehrsteilnehmer möglich. Deshalb sind bereits jetzt in den meisten Kommunen mehr Straßenkilometer auf Tempo 30 oder eine geringere Höchstgeschwindigkeit eingeschränkt. Entgegen dieser Realität ist aber für jede Ausweisung einer innerörtlichen Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h oder weniger ein aufwendiger und anfechtbarer Verwaltungsakt erforderlich. Erschwert wird diese auch noch dadurch, dass in Niedersachsen viel zu oft Straßen trotz angrenzender Baugebiete straßenverkehrsrechtlich als außerorts beschildert werden.

Deshalb fordert der VCD-Bundesverband bereits seit vielen Jahren, innerorts die 30 km/h als Regelgeschwindigkeit festzusetzen. Dann wäre zumindest dort für die Hauptstraßen mit Tempo 50 der Nachweis einer hinreichenden Sicherheit und Belästigungsfreiheit zu führen. In Helsinki und Oslo gilt das seit 2019, in den spanischen Städten seit 2021, auch in den Niederlanden gibt es seit 2020 einen Parlamentsbeschluss zur Einführung.

In Deutschland hingegen werden weithin nicht mehr zeitgemäße untergesetzliche Vorschriften und Richtlinien angewendet, in denen für eine „Behinderung von Kraftfahrern“ durch Tempo 30 erhebliche Gefährdungen nachgewiesen werden müssen. Derartige Gefährdungen von Fußgängern und Radfahrern werden zwar geprüft, deren Behinderung oder gar eine Belästigungen von Anwohnern hingegen kaum.

In der StVO wird aber bereits in §1 Abs. 2 klargestellt, dass die Vermeidung einer Schädigung oder Gefährdung Anderer Vorrang vor der Vermeidung einer Behinderung oder Belästigung hat. Die Vermeidungen von Behinderungen und Belästigungen sind nicht abgestuft und der Begriff „Anderer“ umfasst nicht nur Kraftfahrer, sondern auch Fußgänger, Radfahrer und Anwohner. Im § 3 Abs. 3 wird einer Auflistung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten ausdrücklich vorangestellt, dass diese auch unter günstigsten Umständen nicht überschritten werden darf. Für unübersichtliche und schmale Straßen werden zuvor in § 3 Abs.1 weitere Einschränkungen formuliert.

Deshalb sind Kraftfahrer nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, auf Straßen und Wegen mit einer besonderen Gefährdung von Fußgängern und Radfahrern sowie einer erhöhten Belästigung von Anwohnern auch ohne ein 30-er Schild entsprechend langsam zu fahren. Und sie sind es nicht nur in ihrem eigenem Wohngebiet. Denn wenn möglichst viele Betroffene ihre Geschwindigkeit auch fern der eigenen Haustür in allen ähnlichen Straßen reduzieren, dann könnten sie auch selbst sicherer und mit weniger Belästigungen leben.

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