Elbe-Heide
Unsere Stellungnahmen
Als Verkehrsclub Deutschland, Regionalverband Elbe- Heide schlagen wir eine Änderung der
Vergabekriterien im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) vor. Basis für die Vergabekriterien sollte ein zuverlässiger Betrieb, ein möglichst hoher Reisekomfort für die Reisenden sowie gute
Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden sein.
1. Durchgehende Zugverbindung von Hamburg nach Hannover/Göttingen
a) Keine Trennung der RE2 und RE3 in Uelzen. So lohnend der Bahnhof in Uelzen als touristisches Reiseziel auch ist, für das sehr hohe Reiseaufkommen mit einer geringen Umsteigezeit aufgrund der Trennung der RE-Linien 2 und 3 ist der Bahnhof nicht ausgelegt. Es besteht durch die Trennung in Uelzen eine Gefährdung der Reisenden: Sollte es im Bahnhof Uelzen zu einer Massenpanik kommen, ist aufgrund der geringen Platzverhältnisse und des hohen Aufkommens an durchfahrenden Zügen mit einer erheblichen Anzahl an Personenschäden zu rechnen.
b) Durchgehende Zugverbindung von Hamburg nach Göttingen. Die touristisch attraktive Gegend im Leinetal würde somit an den Ballungsraum Hamburg angeschlossen. Zudem fehlt für die Bahnhöfe an der Nord-Süd-Strecke zwischen Göttingen und Hannover (z. B. Northeim, Kreiensen) seit dem Entfall des Fernverkehrs die umsteigefreie Verbindung nach Hamburg. Durchgehende Nahverkehrszüge zwischen Hamburg und Göttingen existierten bereits zu Zeiten der Bundesbahn, ihr Entfall seit der Bahnreform stellt eine Verschlechterung des Angebotes dar.
2. Einsatzbereitschaft der Fahrzeuge
a) Reinigung der Züge. Derzeit beginnen viele Zugfahrten kurz nach dem Ende der vorherigen Zugfahrt. Für eine ausführliche Reinigung bleibt somit keine Zeit. Für die jeweilige Zuggarnitur ist eine ausreichende Aufenthaltsdauer in den Endbahnhöfen für eine ausführliche Reinigung (nicht am Bahnsteig) als Bedingung für die Vergabe in die Vergabekriterien anzustreben. Dieses muss auch die Leerung der Toiletten und Neubefüllung der Frischwassertanks beinhalten.
b) Kleinere Reparaturen an den Zügen. Kleinere Reparaturen z. B. an den Toiletten sind an den jeweiligen Endpunkten der Zugfahrten zu ermöglichen. Diese können während des Aufenthaltes in den Endbahnhöfen bezüglich einer ausführlichen Reinigung durchgeführt werden.
c) Einkalkulieren von größeren Verspätungen. Aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse können größere Verspätungen auftreten. Damit es nicht zu weiteren Auswirkungen auf den Fahrplan kommt, ist zwischen der Reinigung des Zuges und dem erneutem Einsatz eine Standzeit vorzusehen.
d) Bereitstellung von Ersatzzügen. Es kann vorkommen, dass eine Zuggarnitur während der Fahrt beschädigt wird (Unfall oder Vandalismus), sodass sie die Fahrt nicht fortsetzen kann. Für diesen Fall wird eine Ersatzgarnitur benötigt. Somit muss das Vorhandensein von Ersatzzügen als Vergabekriterium aufgeführt werden. Für die Ersatzgarnituren ist auch das notwendige Personal vorzuhalten.
e) Ersatzpersonal. Der gleichzeitige Ausfall von Mitarbeitenden aufgrund von Krankheit muss von der Personalplanung berücksichtigt werden.
f) Personaleinsatz des Betreibers. Keine zeitlich engen Personalübergänge zwischen dem Einsatz auf den verschiedenen Zügen. Bei zeitlich engen Personalübergängen besteht die Gefahr von Verspätungen und Zugausfällen durch fehlendes Personal. Dieses ist bei der Einsatzplanung des Betreibers zu verhindern.
g) Einsatz von mindestens zwei Personen der Zugbegleitung pro Zug. Dieses ermöglicht die Ansprechbarkeit auch bei hohem Fahrgastaufkommen. Bei Vorfällen im Zug kann reagiert und auf spezifische Bedarfe eingegangen werden.
3. Fahrkartenverkauf
a) Der Verkauf von Fahrkarten ist als gesonderter Punkt in die Ausschreibung aufzunehmen.
b) Einsatz von deutschlandweit einheitlichen Fahrkartenautomaten. Die derzeitige Praxis der unterschiedlichen Fahrkartenautomaten, je nach Betreiber der Nahverkehrsleistung, ist abzuschaffen. Es kann von den Fahrgästen nicht erwartet werden, sich vor Fahrtantritt in unterschiedliche Fahrkartenautomaten einzuarbeiten. Aktuell ist es nur mit erweiterter Kenntnis möglich, an einigen Automaten Fernverkehrstickets zu erwerben. Daher ist das Bedienkonzept der Fahrkartenautomaten zukünftig deutschlandweit zu harmonisieren.
c) Fahrkartenverkauf im Reisezentrum. Nach derzeitiger Regelung dürfen Fahrkarten am Bahnhof nur von einem Betreiber verkauft werden. Hintergrund ist das die SPNV-Aufgabenträger in Niedersachsen, Hamburg und Bremen Ende 2011 ein neues Vertriebskonzept entwickelt haben. Grund hierfür war der Wunsch diverser Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) den Vertrieb in Eigenregie zu übernehmen. Als Folge dessen können nun die zuständigen EVU frei über die weitere Ausgestaltung des Vertriebs von Nahverkehrsfahrscheinen entscheiden. Das zuständige EVU kann sowohl DB-Vertrieb mit der dem Verkauf der Fahrscheine betrauen als auch den Vertrieb eigenverantwortlich organisieren. In Folge dessen wurden mehrere Reisezentren – z. B. Wunstorf, Lehrte, Gifhorn, Papenburg (Ems), Meppen und Lingen (Ems) – geschlossen. Ein gleichwertiger Ersatz im Vergleich zu DB-Vertrieb konnte bisher von keinem anderen Unternehmen geschaffen werden. Auch wenn die Bedeutung der Reisezentren in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat, sind sie gerade für ältere Reisende unverzichtbar.
4. Betreiber-App und DB Navigator
a) Als Mindestanforderung an jede App im SPNV gelten die Anzeige einer minutengenauen Verkehrslage und die Ermittlung von Anschlusszügen sowie ein europaweiter Fahrkartenverkauf über die Grenzen des Betreibers hinaus. Der neue Anbieter hat ein Konzept für die Überarbeitung der Betreiber-App vorzulegen.
b) Der DB Navigator kann aufgrund seiner deutschlandweiten großen Verbreitung als Standard-App des Schienenverkehrs angesehen werden. Daher ist eine Zusammenarbeit mit der App der DB unumgänglich. Die minutengenaue Verkehrslage der Nahverkehrsstrecken muss somit auch aus der DB-App entnommen werden können. Der neue Anbieter muss seine Fahrdaten anderen Anbietern zur Verfügung stellen, insbesondere muss die Zusammenarbeit mit dem DB Navigator verbessert werden. Aktuell werden einige Verspätungen und mögliche alternative Umstiege nicht korrekt durch den DB Navigator angegeben.
5. Bekämpfung des Personalmangels, Personalgewinnung
a) Personalübergang bei Betreiberwechsel. Mitarbeitenden ist der Übergang zum neuen Betreiber ohne Gehalts- oder Sozialleistungseinbußen zu gewährleisten.
b) Attraktivität des neuen Betreibers als Arbeitgeber. Aufgrund des demografischen Wandels wird sich die Personalgewinnung in den nächsten Jahren deutlich erschweren. Um einen zuverlässigen SPNV gewährleisten zu können, muss daher bereits bei der Ausschreibung die Attraktivität des Arbeitgebers einkalkuliert werden. Hierzu zählen unter anderem ein garantierter Inflationsausgleich, eine 35-Stundenwoche, die Gewährung von Freifahrten (z. B. vollständige Kostenübernahme des Deutschland-Tickets durch den Arbeitgeber).
c) Die Attraktivität des neuen Betreibers als Arbeitgeber muss auch das Werkstattpersonal umfassen. Hierfür ist bereits durch die Ausschreibung sicherzustellen, dass den Mitarbeitenden die Wahrnehmung des Wochenendes sowie von Feiertagen ermöglicht wird. Am Wochenende, an Feiertagen sowie an „Brückentagen“ ist daher im entsprechenden Werk nur ein Notpersonal vorzuhalten. Die Abläufe bei der Wartung und Instandhaltung sind durch dem Betreiber entsprechend zu planen. Andernfalls besteht die Gefahr der Abwanderung der Mitarbeitenden.
d) Beibehaltung des Werkes in Uelzen. Sollte dieses Werk geschlossen werden, so sendet dieses ein fatales Signal an die Beschäftigten aus was die Personalgewinnung deutlich erschweren wird.
e) Ein freiwilliger Wechsel von Mitarbeitenden zwischen der Fahrzeugwartung und dem Betrieb sollte prinzipiell möglich sein. Somit wird das Abwandern von Beschäftigtem mit Fachwissen verringert.
f) Anerkennung von Mitarbeiterfahrkarten (dienstlich wie auch privat) der Deutschen Bahn. Die Bahn muss als gesamtes System betrachtet werden, da auch die nicht bundeseigenen EVU nicht ohne die Fahrdienstleitung und Instandhaltung der Deutschen Bahn fahren können. Dementsprechend muss auch die Attraktivität der entsprechenden Berufe gesteigert werden. Derzeit ist jede Ausschreibung, die nicht an DB Regio geht, für die Mitarbeitenden der Deutschen Bahn defacto eine Kürzung des Gehaltes aufgrund der wegfallenden Fahrmöglichkeiten mittels Mitarbeiterfahrkarten.
6. Weitere Maßnahmen und vorzulegende Konzepte
a) Ausrüstung der Fahrzeuge des Bestandes mit dem European Train Control System (ETCS). Hierfür ist durch den neuen Betreiber ein Konzept vorzulegen.
b) Keine getrennte Vergabe von Fahrzeugwartung und Betrieb. Hierbei entstehen nur unnötige Konfliktpunkte, welche den Betrieb behindern.
c) Keine getrennte Vergabe der Reinigung der Fahrzeuge und keine Weitergabe der Reinigung an Subunternehmen. Hierbei entstehen nur unnötige Konfliktpunkte welche den Betrieb behindern.
d) Erhöhung der Kapazitäten für Rollstuhlfahrende. Derzeit befindet sich lediglich im Steuerwagen eine Rampe für die Einladung von Rollstuhlfahrenden. Bei einem Ausfall der Rampe ist eine Verladung nicht mehr möglich. Hierfür ist durch den neuen Betreiber ein Konzept vorzulegen. Mittelfristig ist der Einsatz von Fahrzeugen vorzusehen, die zum Einstieg von Rollstühlen keine Rampe benötigen.
e) Erhöhung der Kapazitäten für Fahrräder. Die derzeit vorhandenen Kapazitäten reichen insbesondere in den touristisch relevanten Monaten und insbesondere am Wochenende schlicht nicht aus. Die Kapazitätserhöhung für Fahrräder darf jedoch nicht auf Kosten der übrigen Reisenden gehen, sondern muss durch den Einsatz von zusätzlichen Reisezugwagen erfolgen. Hierfür ist durch den neuen Betreiber ein Konzept vorzulegen.
f) Regelmäßige Renovierung der Reisewagen. Hierfür ist durch den neuen Betreiber ein Konzept vorzulegen.
7. Längerfristige Maßnahmen
a) Wiederaufnahme des Verkaufs von Getränken und Snacks. Eine der positiven Neuerungen mit der Einführung des Metronom war der Verkauf von Heiß- uns Kaltgetränken sowie kleineren Snacks.
b) Sitzplätze für Menschen mit spezifischen Anforderungen. Dazu gehören Sitzplätze für Menschen mit einer Körpergröße von bis zu zwei Metern oder auch Plätze für neurodiverse Personen. Bei der Neuanschaffung des Fahrzeugparks ist entsprechend auf einen größeren Sitzabstand zu achten und sind spezifische Einrichtungen vorzusehen.
c) Ersatz der vorhandenen Züge: Langfristig sind die vorhandenen Züge durch Triebfahrzeuge mit 10 Doppelstockwagen zu ersetzten. Hierfür sind im Vorfeld die Bahnsteige entsprechend anzupassen. Die neuen Triebfahrzeuge sind für eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h auszulegen, um eventuelle Verspätungen aufholen zu können.