Elbe-Heide
20. Februar 2025. Die Kreisstraße 45 (Lange Straße) verläuft durch Kakenstorf in der Samtgemeinde Tostedt im Landkreis Harburg. Die Straße – obwohl mitten durch die Siedlung verlaufend – ist größtenteils nicht geschwindigkeitsreduziert. Lediglich in der Nähe der Schule ist die Geschwindigkeit zu Schulzeiten auf 30 km/h herabgesetzt – ohne jedoch regulär gemessen zu werden. Regelmäßig werden selbst die 50 km/h nicht eingehalten.
Warum Tempo 30?
Es gibt viele Gründe, die für eine Geschwindigkeitsreduktion sprechen und eigentlich keine dagegen. Tempo 30 macht Straßen deutlich sicherer, vor allem für Menschen, die zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs sind. Will jemand die Straße überqueren, macht es einen großen Unterschied, mit welcher Geschwindigkeit der Autoverkehr unterwegs ist. Bei Tempo 30 ist die Chance, ein Fahrzeug noch rechtzeitig zum Stehen zu bringen, wesentlich höher: Im Schnitt kommt ein Pkw nach 13,3 Metern zum Stehen. Ein Wagen, der mit Tempo 50 unterwegs ist, prallt wegen des längeren Reaktionswegs mit voller Geschwindigkeit auf eine Person oder einen Gegenstand in dieser Entfernung auf. Somit sinkt bei Tempo 30 die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstoßes. Aber selbst wenn es zur Kollision kommt, ist die Überlebenschance für zu Fuß Gehende und Radfahrende deutlich größer. Die Geschwindigkeit beim Aufprall ist entscheidend für die Schwere eines Unfalls. Viele Studien zeigen, dass eine Kollision bei Tempo 50 erheblich gefährlicher für ungeschützte Verkehrsteilnehmende ist als bei Tempo 30. Niedrige Geschwindigkeiten bedeuten ein deutlich geringeres Risiko für schwerste oder tödliche Verletzungen. Das gilt natürlich insbesondere für vulnerablere Gruppen wie Kindern und ältere Menschen.
Ein weiteres wichtiges Argument für Tempo 30 ist Lärm. Dieser schadet der Gesundheit – nachgewiesen sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen oder Depressionen. Der Straßenlärm ist in Deutschland die Lärmquelle Nr. 1. Niedrigere Geschwindigkeiten senken die Belastung durch Straßenlärm. Der Lärmpegel sinkt durch die Verringerung der Geschwindigkeit von Tempo 50 auf Tempo 30 durchschnittlich um ca. 3 dB(A). Dabei ist zu beachten, dass 110 Dezibel doppelt so laut sind wie 100 Dezibel.
Während Durchfahrtsstraßen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung zu einem Ort werden, an dem sich niemand gerne aufhält, kann Tempo 30 die Lebensqualität im Umfeld dieser Straße erheblich steigern.
Wichtig ist, dass die Geschwindigkeit nicht nur angeordnet, sondern durch Geschwindigkeitsmessungen und Bußgelder auch durchgesetzt wird.
Wie lässt sich Tempo 30 anordnen?
Obwohl sehr viele Gründe für eine Regelgeschwindigkeit innerorts von 30 km/h sprechen, ist diese bisher noch nicht umgesetzt worden. Aber auch in der aktuellen Rechtslage gibt es viele Möglichkeiten, um Tempo 30 zu begründen und damit mehr Sicherheit und Lebensqualität zu schaffen.
So sind die Kommunen z. B. zur Einhaltung des Lärmschutzes zum Schutz der Bevölkerung angehalten. In Tätendorf und Jelmstorf an der B4 z. B. gilt Tempo 30 aus Lärmschutzgründen – in Tätendorf durchgängig, in Jelmstorf nachts. Das wurde gemeinsam von Polizei, Verkehrsbehörde, einer Bürgerinitiative und der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr erarbeitet und von der Verkehrsbehörde angeordnet.
Auch in der Region Hannover gilt in über einem Dutzend kommunaler Ortsdurchfahrten Tempo 30.
Neue Möglichkeiten zur Geschwindigkeitsreduktion hat die am 11. Oktober 2024 abgeschlossene Novellierung der Straßenverkehrsordnung (StVO) und zuvor des Straßenverkehrsgesetzes geschaffen. Erstmals wurden auch der Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschutz sowie die städtebauliche Entwicklung eigenständige Anordnungsgrundlagen. Die Anpassungen der StVO ermöglichen es den Kommunen, gemeinsam mit der Straßenverkehrsverwaltung des Landes, wichtige Verbesserungen zu mehr Lebensqualität, Klimaschutz und Sicherheit im Straßenverkehr umzusetzen.
Wie an Spielplätzen sind nun auch Anordnungen von streckenbezogenen Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 30 km/h ohne das Vorhandensein einer qualifizierten Gefahrenlage an so genannten hochfrequentierten Schulwegen möglich. Ziel dieser Neuerung ist es, den Weg zur Schule zu Rad oder zu Fuß und das Schulumfeld sicherer zu gestalten.
Der Tatbestand für eine solche Anordnung ist dann erfüllt, wenn aus den örtlichen Gegebenheiten und einem erhöhten Verkehrsaufkommen durch Schülerinnen und Schüler Gefahrenlagen entstehen. Solche Gefahrenlagen können beispielsweise dann vorliegen, wenn an Schulwegen keine ausreichenden Gehwegbreiten vorhanden sind, sich mehrere Schulwegstrecken überlagern, Schülerinnen und Schüler Straßen kreuzen oder an Kreuzungen, Querungshilfen und -inseln, Bushaltestellen und Ampeln warten. Diese Gefahrenlagen bestehen auch dann, wenn Absperrungen vom Gehweg zur Straße installiert wurden.
Wie ist die Situation vor Ort?
In der Langen Straße in Kakenstorf wird entgegen den Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) der Radverkehr innerorts auf einem schmalen Hochbord-Weg gemeinsam mit dem Fußverkehr als Zweirichtungsradweg geführt. Hier sind also keine ausreichenden Gehwegbreiten vorhanden. Die Lange Straße ist zudem ein wichtiger Schulweg zur Rudolf-Steiner-Schule Nordheide und zum Waldorfkindergarten nebenan sowie zur Bushaltestelle, um die Grundschule im Nachbarort Trelde zu besuchen.
Die Lange Straße weist hohe Verkehrsmengen auf - dazu gehören neben dem Berufs- auch Transport- und landwirtschaftlicher Verkehr. Die Straße wird von vielen in der Region als Abkürzung genutzt. Zusätzlich wurde in Kakenstorf ein neues Baugebiet ausgewiesen, sodass mit zusätzlichem motorisiertem Verkehr zu rechnen ist.
Es gibt also viele gute Gründe und auch rechtliche Möglichkeiten, um die Anwohnerinnen und Anwohner Kakenstorfs und insbesondere die Kinder zu schützen. In den Verwaltungsvorschriften zur StVO ist festgelegt, dass Sicherheit vor Leichtigkeit des Verkehrs geht. So sollte es auch in Kakenstorf gehandhabt werden.
Fotos zur Bebilderung: mega.nz/folder/I2clFaKL